Burgdorf

Ist er mehr als 600 Jahre alt? Glockenturm der Otzer Kapelle wird untersucht

[OETZE]

Wem, wenn nicht der Kirche, muss es besonders darum gelegen sein, seinen Immobilienbesitz bestimmt, bewertet und dokumentiert zu wissen. Nicht nur die anzunehmende Menge an Liegenschaften, sondern auch deren Errichtungsdatierung, bestandsbewahrende, oder auch bestandsverändernde Baumaßnahmen sind dabei ja nicht nur in Jahrzehnten, sondern in Jahrhunderten zu bemessen.

So nutzt aktuell die Martin-Luther-Kirchengemeinde Ehlershausen-Ramlingen-Otze die Gelegenheit mit einer von der Region Hannover und der Baudenkmal-Stiftung Raum Hannover geförderten Untersuchung eine solche bauhistorische Bewertung und Einschätzung des hölzernen Glockenturms der Kapelle in Otze durch den Leiter des Büro für bauhistorische Untersuchungen, Dr. Stefan Amt untersuchen zu lassen.

Die Otzer Kapelle ist das älteste kirchliche Gebäude in der Stadt. Sie wurde voraussichtlich im vierzehnten Jahrhundert erbaut, eine spätere Erweiterung kam im fünfzehnten Jahrhundert dazu. Der Glockenturm wird im Moment ebenfalls ins fünfzehnten Jahrhundert datiert, allerdings gäbe es Hinweise, dass der Turm deutlich älter sein könnte.

Am Freitag, 21. April 2017, konnte Dr. Stefan Amt mit den Architekten Marcel Petri und Nils Ochmann vom Ochtruper Büro für Hochbau und Denkmalpflege dazu erste Ergebnisse vorstellen und den wissenschaftlichen Weg zur korrekten Datierung, zum aktuellen Zustand und dem möglichen bauhistorischen Zeitablauf von der Errichtung über Erhaltungsmaßnahmen bis heute darstellen.

Besonderes Augenmerk hat Dr. Amt dabei auch auf die zu den jeweiligen Maßnahmen verbauten Materialien und angewandten Techniken. Jüngste Datierungen wie des nachträglich eingebrachten Betonfundaments und der letzten Dacheindeckung außen vor lassend, führte Stefan Amt im Besonderen zu den Hölzern aus, die für die Turmverkleidung, das statische Innentragwerk und die Ausführung der Windverbände, somit die Verstrebungen der Fachwerkträger zur Aufnahme der waagerecht auftretende Windkräfte, verwendet wurden.

Bei einem Kirchturm sei allerdings der konstruktive Umgang mit der Gebäudebelastung durch das Ausschwingen der Glocken ebenfalls zu betrachten. Eine erste Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse ergab die Annahme, es handele sich bei dem Baumaterial des Turms wohl um regionale und gespendete Hölzer, was sich einmal aus der dritten Qualität der Hölzer, wie auch aus dem Fehlen von Flößerspuren erkennen ließe.

Das genaue Alter des Turms, beziehungsweise der einzelnen Bauteile, ließe sich laut Dr. Stefan Amt aber letztendlich nur über die heute als sicher verwendende Dendrochronologie-Methode bestimmen.

Hierzu werden Bohrkerne den einzelnen Hölzern entnommen, aus denen mit dem fachtechnisch hier nicht weiter vertieften Verfahren auf Monat und Jahr genau bestimmt werden kann wann das Holz eingeschlagen wurde. Die Annahme, dass eine zumindest mittelbare zeitliche Verbauung des so datierten Materials vorgenommen wurden sein, dürfte als gesichert gelten.

Aus Erfahrung konnte Dr. Amt zu den ausgeführten Bautechniken und deren Besonderheiten feststellen, dass die Otzer Altvorderen offensichtlich schon viel früher als bisher angenommen über besondere Fertigkeiten im Umgang mit dem Baumaterial Holz und dessen konstruktiven Verbindungen verfügten.

Neben den anwesenden Pressevertreter an diesem Freitag, konnte Dr. Stefan Amt Pastorin Susanne Paul, Küsterin Doris Günther und den Vorstandsmitglieder der Kirchengemeinde Karin Buchholz und Dr. Holger Zielonka in Aussicht stellen, die abschließenden Ergebnisse der Untersuchung zu gegebener Zeit zu veröffentlichen und Interessierten, sowie vor allem der Otzer Bevölkerung zugänglich zu machen.

Während Dr. Stefan Amt, heute auch Konservator des Bistums Hildesheim, mit Erfahrung und Praxiswissen aus seiner jahrelangen internationalen Lehrtätigkeit zu den Themeninhalten Bauaufnahme, historische Bauforschung und Baukonstruktion, Baugeschichte, Denkmalpflege, sowie Bauwerkserhaltung als Teamleiter die Untersuchung begleitet, zeichnen die beiden Architekten Marcel Petri und Nils Ochmann im Besonderen zur digitalen Dokumentation der Untersuchungsergebnisse, sowie der Erstellung neuer Bestandspläne verantwortlich.

Die Einsichtnahmen in verfügbare und bekannte öffentliche, kirchliche und private Archive brachten leider kein belastbares Material mehr zutage.

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