Mit dem Grundgesetz ist das Land in guter Verfassung
Am gestrigen Donnerstag, 23. Mai 2019, ist das deutsche Grundgesetz (GG) auf den Tag genau 70 Jahre jung geworden. Dieser historische Geburtstag war dem Deutschen Bundestag sieben Tage zuvor eine zweistündige "lebhafte Debatte" wert, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von der Tribüne aus verfolgte. Gut zwei Stunden dauerte am gestrigen Donnerstag auch die Kundgebung "Burgdorf steht auf!", die Dieter Rohles & Friends auf dem Spittaplatz auf die Beine gebracht hatte.
"Wir haben lange auf diesen Tag hingearbeitet, um das Signal auszusenden, dass auch in kleineren Städten wie Burgdorf für unsere freiheitliche Demokratie Gesicht und Flagge gezeigt wird", so Rohles als Spiritus Rector dieser Geburtstagsfeier zu Ehren des Grundgesetzes von 1949,mit dem das Land in guter Verfassung ist, so die einhellige Meinung der Redner. Den musikalischen Rahmen lieferte die Burgdorfer Soul & Funk-Formation "Elephant Walk".
Dr. Matthias Schorr, erster Kopf des Burgdorfer Kulturvereins SCENA, war die Moderation der Grußworte und Ansprachen übertragen worden. Er kündigte den Schirmherr von "Burgdorf steht auf!", Oberbürgermeister a.D. Herbert Schmalstieg, als "weltweit bekanntestes Gesicht Hannovers" an. Seine Rede und auch die anschließenden Vorträge von Bürgermeister Alfred Baxmann, Superintendentin Sabine Preuschoff und des Hauptredners Jürgen Gansäuer, Niedersächsischer Landtagspräsident a.D. (2003-2008), schlugen einen Bogen von den Grundsätzen des freiheitlich-demokratisch formulierten und gelebten Grundgesetzes zu den Bedrohungen, die sich die Europäische Union (EU) durch äußere und innere Feinde ausgesetzt sieht. Was von vielen eigentlich auch zu erwarten gewesen war – stehen doch am kommenden Sonntag, 26. Mai, die Bürgermeister- und Europawahlen an.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar". Dieser einfache und unmissverständliche Satz des Artikels 1 des Grundgesetzes überstrahlt alles Weitere und steht unter dem Schutz der in Artikel 79 formulierten "Ewigkeitsklausel". Artikel 1 darf vom verfassungsändernden Gesetzgeber inhaltlich weder abgeschafft noch verändert werden. "Heute leben wir in Deutschland und Europa in Frieden und Freiheit – und das ist gut so", sagte Schmalstieg und bemühte das berühmte Wort vom Friedensnobelpreisträger (1971) und früheren SPD-Kanzler Willy Brandt (1913-1992): "Mehr Demokratie wagen (1969)" – für ein soziales und solidarisches Miteinander. Die vom Grundgesetz garantierte Meinungs- und Pressefreiheit sei nicht in aller Welt gegenwärtig, so Herbert Schmalstieg. Er forderte die Freilassung von inhaftierten Journalisten in der Türkei und: "Ein klares Bekenntnis zu einem freien Europa zeigt den rechten Nationalisten die Rote Karte." Unterdessen hatten sich in der Spitze mehr als 600 Menschen zu Füßen der St. Pankratiuskirche und rund um den Wicken Thies-Brunnen eingefunden.
Bürgermeister Baxmann ging in seinem Grußwort noch einmal 30 Jahre weiter zurück: "Die Weimarer Verfassung von 1919 konnte sich trotz aller Schwächen und Konstruktionsfehler auch schon sehen lassen. Die erste Demokratie auf deutschem Boden scheiterte 14 Jahre später, weil ihr Republikaner und Demokraten fehlten." Heute sei das Grundgesetz die Verfassung einer wehrhaften Demokratie, die den Feinden der Freiheit keine Freiheit lässt, so Alfred Baxmann. Superintendentin Preuschoff bezeichnete ein freies Europa, für demokratische Werte zu streiten sowie den Respekt vor der Würde aller Menschen als Herzensangelegenheit: "Ein gemeinsames Europa garantiert gegenseitige Sicherheit. Herzlichen Glückwunsch, liebes Grundgesetz."
Den Glückwunsch nahm Hauptredner Jürgen Gansäuer auf und mahnte, bewährte Traditionen zu pflegen, ohne sich dabei die Vergangenheit zurückzuwünschen: "Das Grundgesetz setzt der Macht ethische Grenzen, aber eine freiheitliche Demokratie muss auch Zumutungen ertragen. Mit linken und rechten Populisten schmust man nicht. Rückwärtsgewandte Nationalisten sind Menschen, die aus der Geschichte nichts gelernt haben."
Allen Kritikern dieser wichtigen Kundgebung sei das Zitat ans Herz gelegt, mit dem der Historiker und Christ Jürgen Gansäuer seine aufrüttelnde Ansprache beendet hat: "Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun". So der Staatsphilosoph und Politiker Edmund Burke (1729-1797), der heute als "geistiger Vater des Konservatismus" gilt.