Burgdorf

Burgdorfer Einsatzkräfte kommen underdressed zum Feuerwehrball

[BURGDORF]

Am vergangenen Freitag fand der Feuerwehrball der Freiwilligen Feuerwehr Burgdorf statt. Wie der AltkreisBlitz bereits berichtete, wurde die Ortswehr just in dem Moment, als die Veranstaltung anfangen sollte, zu einem Wasserschaden in die Burgdorfer Südstadt gerufen.

Ein Kamerad der Feuerwehr schildert im Nachgang dieses – sicherlich nicht allzu häufig vorkommenden – Ereignisses nicht nur, wie es sich anfühlt, wenn man frisch vom Einsatz in eine Festgesellschaft kommt, sondern nimmt dieses auch zum Anlass, einmal darüber zu berichten, wie sich das Leben als ehrenamtlicher Feuerwehrmann (und sicherlich auch als Feuerwehrfrau) anfühlt. Unter dem Titel "Waren Sie schon einmal so richtig underdressed auf einer Abendveranstaltung?" illustriert er anschaulich wie auch für Laien nachvollziehbar das Leben der ehrenamtlichen Kräfte der Ortswehr, die eben auch während ihres eigenen Festballs ausrücken.

Hier der Text, den die Ortswehr auf Facebook veröffentlicht hat, in voller Länge:

Waren Sie schon einmal so richtig underdressed auf einer Abendveranstaltung?

Ich meine, so richtig underdressed. Die Damen sehen aus wie Ladies und die Herren wie Gentlemen. Abendkleid, Handtasche, perfektes Makeup vs. Anzug, korrekt sitzende Krawatte und strahlendes Oberhemd. Und mittendrin stehen dann Sie. Situativ fühlen Sie sich wie der Bauarbeiter von den Village People nach drei Tagen Kabelschächte stemmen. Dazu am besten noch unrasiert (Klassiker, oder?), die Frisur mutet an wie Anpressdruck auf Kopfkissen und das einzige, was auf der bequemen Oberbekleidung dekorierend fehlen würde, wären Pizzaflecken. Netflix & Chill ohne Hintergedanken! In diesem Aufzug würden Sie sonst nicht einmal den Garten umgraben, aus Angst, dass der Hausarzt Ihnen eine Herbstdepression unterstellt.

In fast genau 12 Jahren in der Blaulichtwelt habe ich viele Situationen erlebt, die herzergreifend, tragisch, bedauerlich, bis hin zu skurril, zum Kaputtlachen oder reif für die BamS gewesen wären. Immer dann, wenn wir unsere Einsatzuniform anlegen, bevor wir schnellen Schrittes die Fahrzeughalle betreten, wo die Einsatzfahrzeuge auf das Personal warten, läuft bei uns ein Routineprotokoll ab. Ausrüstung anlegen, aufsitzen, abrücken und während der Fahrt dann Vorbereitungen für das Abarbeiten der Einsatzlage treffen. Gerade für viele jüngere Einsatzkräfte ist diese Situation mit ein wenig Nervosität verbunden. Insbesondere dann, wenn die Alarmierung aus dem Tiefschlaf und am besten noch bei miesem Wetter erfolgt. Je drastischer das Alarmstichwort, desto ruhiger ist es übrigens während der Fahrt im Mannschaftsraum. Jedes Besatzungsmitglied geht im Kopf seine Aufgaben durch und checkt ein letztes Mal, ob die Schutzbekleidung auch jede freie Körperstelle bedeckt.

Ja, zugegeben: Das ist unser Element. Nicht, weil wir uns an der Not anderer ergötzen! Viel mehr, weil das zur Anwendung gebracht wird, was mindestens einmal wöchentlich trainiert wird. Und wen wundert es, wenn ich sage, dass es uns dabei völlig egal ist, wie wir gerade aussehen? Das schlimmste, das wir zu befürchten haben, ist nachts um 3:00 ein gehässiger Kommentar zum Motiv unseres Schlaf-T-Shirts von der Seite. Womöglich von jemandem mit "Es dauerte 45 Jahre, um sooo gut auszusehen" oder "Ihr seid mir zu albern. Ich geh schaukeln." auf dem eigenen Unterhemd.

Als wir am Freitagabend zu einem Wasserschaden alarmiert wurden, verliefen Abrücken und Anfahrt zum Einsatzort natürlich deutlich entspannter, wie es bei solch einer Bagatelle üblich ist. Was jedoch jede Alarmierung gemeinsam hat, ich erwähnte es, ist das sofortige Anfahren des Feuerwehrhauses ohne voriger Prüfung durch die Modepolizei.

Zur Alarmzeit war bereits der Rest der Ortsfeuerwehr perfekt durchgestylt zum Feuerwehrball im Stadthaus Burgdorf erschienen. An der Einsatzstelle lud der Ortsbrandmeister die Einsatzkräfte nach Abschluss der Maßnahmen zur Nahrungsaufnahme ins Stadthaus ein. Er wurde durch einen Zugführer begleitet und erkundete, ob weiteres Personal von Nöten war.

Und so kreuzten wir im Stadthaus auf, um uns nach getaner Arbeit zu stärken.

Die Kameradinnen sahen aus wie Ladies, die Kameraden wie Gentlemen. Abendkleid, Handtasche, perfektes Makeup vs. Anzug, korrekt sitzende Krawatte und strahlendes Oberhemd. Wir sahen aus, wie Notdienst der Stadtwerke nach einer Stunde Wasser pumpen. Dazu unrasiert, die Frisur belegte den Anpressdruck des Helmes auf dem Kopf und dekorierend hat auf der bequemen Oberbekleidung gar nichts gefehlt, da die modischen Hosenträger der Einsatzkleidung einen Komplementärkontrast zum Rest herstellten.

Auch wenn wir uns alle kennen, kassierten wir Blicke von "verwundert" bis hin zu "Gehässiger Kommentar nachts um 3". Dies dauerte allerdings nur kurz an, wusste der Rest ja um den vorigen Einsatz und nahm uns willkommend auf.

Objektiv betrachtet ist dieser Umstand ja gar keine große Sache, da wir sozusagen "unter uns" waren. Dennoch hat mir diese Situation Anlass geboten, unsere komplette Tätigkeit einmal zu reflektieren.

Vielleicht wissen einige der Einwohner gar nicht, dass der Brandschutz in diesem Stadtgebiet ehrenamtlich sichergestellt wird. Vielleicht ist Manchem auch nicht bekannt, dass unter dem Begriff "Feuerwehr" im Stadtgebiet Burgdorf die Ortsfeuerwehren in Burgdorf, Heessel, Schillerslage, Ramlingen/ Ehlershausen, Otze, Weferlingsen, Dachtmissen und Hülptingsen stecken. Andere können sich unter der Institution "Freiwillige Feuerwehr" womöglich erst gar viel mehr vorstellen, außer Schläuche ausrollen, Wettbewerbe veranstalten und auf dem Tag der offenen Tür Bratwurst grillen.

Es ist kein Geheimnis, dass wir – und damit schließe ich mich ein – stolz darauf sind, Feuerwehrleute zu sein. Und auch nicht, dass unsere Tätigkeit mit einem gewissen persönlichen Risiko verbunden ist.

Neben der gemeinnützigen Komponente hat es für uns einen ganz bestimmten Reiz, zu jeder Zeit bereit zu sein, alles stehen und liegen zu lassen, um einem Unbekannten helfend zur Seite zu stehen.

Die Kameradschaft, die uns alle verbindet, ist es ein ständiges Geben und Nehmen. So verschieden die einzelnen Charaktere sein mögen – Uns verbindet alle eine gewisse Einstellung, die von einem ganz bestimmten Fremdverständnis gekennzeichnet ist. Was dieses Geschwalle bedeutet? Wir können nachvollziehen, was sich im Kopf abspielt, nachdem jemand eine Situation aus der Sparte "Tragisch" oder "Herzergreifend" erlebt hat. Wie es ist, mit einer völlig unbekannten Gefahrenlage konfrontiert zu sein. Wir laufen bereitwillig unter den Blicken schadenfreudiger Nachbarn bei Starkregen zum Auto. Wir wissen, wie unangenehm es ist, nachts um 2:00 bei -1°C Außentemperatur beschleunigt aus dem Bett zu steigen und welche Sprüche zu erwarten sind, wenn das Design des T-Shirts Boden für Frotzeleien gewährt.

Ich wünsche mir nicht, dass sich jeder in tiefem Respekt vor seiner Feuerwehr verneigt. Ich erwarte lediglich, dass jeder seinen Teil dazu beiträgt, um uns unsere Arbeit zu ermöglichen. Dazu gehört nicht nur die Ausstattung mit zeitgemäßen Einsatzmitteln, die aus Steuergeldern entspringt, sondern auch ein klein bisschen Verständnis seitens der Bevölkerung. Wir fühlen uns nicht sonderlich mächtig und erhaben, wenn wir Sie mit Blaulicht und Horn bitten, rechts ran zu fahren. Es macht auch nicht so viel Spaß, wenn wir direkt werden müssen, weil der Zugang zur Einsatzstelle (um nur mal kurz zu gucken) freizuhalten ist. Und wenn wir Öffentlichkeitsarbeit machen, dann, um Ihnen unsere Aufgabe näher zu bringen, und nicht, um uns selbst in den Himmel zu loben.

Unsere Dienstleistung nennt sich Sicherheit. Und die stellen wir Ihnen jederzeit gern zur Verfügung. Auch unrasiert!

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